▼ Professorin Dr. Brigitte Trippmacher [2004]
\\ PROFESSORINNEN AN DER UNIVERSIT?T BAMBERG
\\ INTERVIEW VON 2004
"Bei aller Emanzipation haben Jungen auch immer noch die Botschaft im Kopf: ?Ich muss sp?ter eine Familie ern?hren.“."
Seit wann lehren Sie an der Uni Bamberg und wie kamen Sie auf die Idee, eine wissenschaftliche Karriere einzuschlagen?
Ich bin seit dem 1. Oktober 1988 an der Uni Bamberg im Fachbereich Soziale Arbeit und habe die Professur für P?dagogik inne. Wie viele Frauen kam ich über einen gro?en Umweg zu meinem Beruf. Zun?chst hatte ich nicht geplant, Professorin an einer Hochschule zu werden.
Wie begann Ihre berufliche Karriere?
Ich habe in Frankfurt und Bremen P?dagogik studiert und in diesem Fach 1974 mein Diplom gemacht. Zu dieser Zeit waren relativ viele Akademiker arbeitslos. Die Versprechungen, dass P?dagoginnen und P?dagogen sofort nach der Uni die Leitung einer Volkshochschule oder eines Gef?ngnisses übertragen bekommen, bewahrheiteten sich natürlich nicht. Ich habe schlie?lich in Mannheim beim Jugendamt eine damals für Sozialp?dagogInnen wenig attraktive Stelle in der Jugendarbeit angenommen, die nicht nur unattraktive Arbeitszeiten sondern auch heftige Auseinandersetzungen mit Jugendlichen beinhaltete. Der Amtsleiter war daher hoch entzückt über meine Bewerbung, erkl?rte mir jedoch gleich, dass man mich nur als Sozialp?dagogin, nicht als Diplomp?dagogin, bezahlen k?nne. Zur Sozialp?dagogin fehlte mir die staatliche Anerkennung, weshalb meine Bezahlung noch geringer ausfiel. Die Bezahlung war für mich in diesem Moment nebens?chlich; ich wollte als Berufseinstieg die Arbeit befristet für zwei Jahre machen. Aus diesen zwei Jahren wurden zehn. In dieser Zeit heiratete ich und bekam zwei T?chter. Ich habe nach den Geburten nicht pausiert; mir war es wichtig, immer einen Beruf auszuüben. Beim Mannheimer Jugendamt bearbeitete ich schlie?lich ein breites Spektrum. Mein Job beinhaltete Stadtteilarbeit mit Vereinen, mit Jugendlichen, aber auch mit Erwachsenen, so habe ich bspw. Müttergruppen gegründet – damals noch etwas v?llig Neues. Au?erdem habe ich zeitweise auch am st?dtischen Jugendplan mitgearbeitet und war auch Personalr?tin – also frauentypisch in vielen Bereichen aktiv und engagiert. Herausforderungen haben mich nie abgeschreckt. Ich verfolgte dabei immer das Ziel, schlie?lich als Diplomp?dagogin arbeiten zu k?nnen.
Wie fanden Sie wieder zurück zur wissenschaftlichen Arbeit?
Nach zehn Jahren im Mannheimer Jugendamt beschloss ich gemeinsam mit einem Kollegen zu promovieren. Mit einem Doktortitel und somit einer besseren Qualifikation sah ich für mich auf dem Arbeitsmarkt bessere Chancen. W?hrend meiner Dissertation konnte ich innerhalb des Jugendamts von einer Halbtags- auf eine Ganztagsstelle wechseln. In den folgenden Monaten koordinierte ich Projekte gegen Jugendarbeitslosigkeit in Mannheim. Dabei entwickelte ich ein Konzept zur Besch?ftigungsf?rderung in Mannheim. Zur Umsetzung meines Plans richtete der Gemeinderat eine Koordinationsstelle ein, die an das Büro des Oberbürgermeisters angegliedert war – dieser Stelle wurden wichtige Handlungskompetenzen zugesprochen. Obwohl ich das Know-how für diese Stelle hatte und zudem von Vielen für diese Stelle empfohlen wurde, sollte sie zun?chst durch eine beliebige ABM-Kraft besetzt werden. Wenngleich ich einige Zeit sp?ter dann doch als ?Beauftragte für kommunale Besch?ftigungsf?rderung“ ernannt wurde, hatte mich dies so ge?rgert, dass ich mich nach einem neuen Bet?tigungsfeld umgesehen habe. Eine befreundete Professorin wies mich schlie?lich auf die vakante Professur in Bamberg hin. Darüber dachte ich eine Weile nach, denn eigentlich bin ich eine Macherin und Theorie interessiert mich immer mit praktischem Bezug. Mein Vorgehen und Forschen war immer anwendungsorientiert. Meine Freundin überzeugte mich, dass eine Professur in einer Fachhochschule anwendungsorientierte Forschung bedeutet und dass die Lehre im Fachbereich Soziale Arbeit von meinen praktischen Erfahrungen nur profitieren k?nne. Ich bewarb mich und wurde Professorin – das ging unglaublich schnell.
Was war Ihr Promotionsthema?
Das Thema meiner Dissertation war: ?Die ?ffentliche Freizeiterziehung – welche Werte hat sie und welche Werte vermittelt sie?“ Mein Untersuchungsgegenstand war also die ?ffentliche Freizeiterziehung und welchen Einfluss sie auf Jugendliche hat. Die Arbeit war praxisorientiert und hatte einen gro?en empirischen Teil. W?hrend meiner Dissertation habe ich ganztags gearbeitet und hatte zwei kleine Kinder.
Promotion, Vollzeitjob und Familie – wie koordinierten sie das?
Mit zwei kleinen Kindern und einer Ganztagsstelle als Koordinatorin der Massnahmen gegen Jugendarbeitslosigkeit blieben mir nur die Nacht und das Wochenende für meine Doktorarbeit. Ich hatte mir das Ziel gesetzt, meine Doktorarbeit in zwei Jahren fertig zu stellen. Das gelang mir auch. Meine Promotionsphase war eine harte Zeit. Mir fehlen diese zwei Jahre komplett in meiner Erinnerung. Ich habe mich damals immer jünger gefühlt als ich war – ich hatte kein Zeitgefühl mehr.
Wer hat Sie in Ihrem Leben ermutigt, neue Projekte zu beginnen und eine akademische Laufbahn einzuschlagen?
Verschiedene M?nner und Frauen in meinem Leben haben mich unterstützt. Meine Vorgesetzten sch?tzten mich sehr und haben mich stets zu Neuem ermutigt. Mein Mann, der damals Leiter des Gemeinwesenzentrums war, hat seinen MitarbeiterInnen – wie auch mir - immer viel Entfaltungsfreiheit gegeben und mich bei all meinen Projekten unterstützt. In meinem Berufsleben erfuhr ich immer viel Ermutigung, und meine Schwiegereltern halfen mir sehr bei der Kinderbetreuung. Trotzdem habe ich in meinem Beruf natürlich auch vereinzelt wunderliche Reaktionen von M?nnern auf meine Person erlebt: So meinte beispielsweise der Leiter der IHK nach einer von mir geleiteten Sitzung mit Vertretern der Wirtschaft: ich h?tte meine Sache ja sehr gut gemacht, aber ob ich zuhause auch die Hosen an h?tte?
H?tten Sie Kinder und Karriere ohne Unterstützung durch Ihren Mann und Ihre Schwiegereltern unter einen Hut bekommen?
Definitiv nein. Meine Schwiegereltern waren immer pr?sent und haben all meine Pl?ne mitgetragen, und von meinem Mann habe ich viel Unterstützung erfahren. Die Kinderbetreuungsangebote in Deutschland sind eine Katastrophe. Das hindert Frauen strukturell daran, berufliche Karriere zu machen. Frauen stehen oft vor der Entscheidung Karriere oder Kinder. Solange sich nicht in der frühkindlichen Betreuung etwas ?ndert, wird sich das nicht bessern. Ich musste bei meinem ersten Kind beispielsweise immer zum Stillen von meinem Arbeitsplatz nach Hause gehen. Zeitweise hatten mein Mann und ich neben unseren eigenen Kindern auch noch eine Pflegetochter zu versorgen, die uns bei der Arbeit ?zugelaufen“ war. Als sie dann ?lter war, hat sie uns unterstützt. Geholfen hat uns auch unser gro?es Netzwerk an Freunden.
Sie sind Professorin am Fachbereich Soziale Arbeit. Dieser Fachbereich hat einen Professorinnenanteil von rund 25 Prozent, w?hrend er in Bayern bei acht Prozent liegt. Die Bamberger Fakult?t Sozial- und Wirtschaftswissenschaften hat nur eine Professur mit einer Frau besetzt. Wie erkl?ren Sie sich den hohen Frauenanteil in der Sozialen Arbeit? Liegt das am Fach?
Einmal liegt das sicherlich an der bei Frauen immer noch weit verbreiteten ?Care-Haltung“ –dem Wunsch etwas für und mit Menschen zu tun - und den Frauen als Geschlechterstereotyp zugeschriebene Zust?ndigkeit für Erziehung, Fürsorge und all die zumeist unentgeltliche Reproduktionsarbeit. Nicht zuf?llig sind daher auch Stellen im sozialen Bereich in der Regel relativ schlecht bezahlt. Zudem sind Frauen weniger karriere- und konkurrenzorientiert, sondern bei Leistungsanforderungen eher sach- und problemorientiert. M?nner planen ihre Karriere anders. Sie haben meist klare Vorstellungen von ihrem beruflichen Weiterkommen und sind seit Kindesbeinen wettbewerbsgeübt. Bei aller Emanzipation haben Jungen auch immer noch die Botschaft im Kopf: ?Ich muss sp?ter eine Familie ern?hren.“ Aufgrund dieser Geschlechtsstereotypen entwickeln M?nner im Beruf h?ufig einen gr??eren Ehrgeiz als die Frauen um die besten Pl?tze auf der Karriereleiter.
Spielt der Genderaspekt bei Ihrem Forschungsschwerpunkt eine wichtige Rolle?
Der Genderaspekt ist bei meinen Forschungsprojekten wichtig. Ich bin auch im Studienschwerpunkt Frauen- und M?dchenarbeit t?tig. Entscheidende Themen sind für mich unter anderem Bildungsarbeit sowie berufliche Qualifikationen und Positionen, wo gravierende Geschlechtsunterschiede erkennbar sind. Auch bei allgemeinen P?dagogikvorlesungen gehe ich immer auf den Geschlechtsaspekt ein.
Was würden Sie Ihren Studentinnen raten, wenn sie eine akademische Karriere anstreben?
Das ist eine schwierige Frage. Bei den vielf?ltigen Lebensentwürfen heute ist es schwierig, Ratschl?ge zu geben. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es wichtig ist, in der Arbeit sehr gut zu sein, Dinge gern zu machen, Neugierde zu zeigen, Ziele zu haben und Praxiserfahrung zu sammeln. Ich würde immer Vieles ausprobieren, herausfinden, was für mich gut ist und das mit Begeisterung tun. Das st?rkt das Selbstbewusstsein und man tritt in der Regel anders auf, als wenn man nur universit?r sozialisiert ist. In der Praxis au?erhalb der Universit?t lernt man, seine Frau zu stehen und sich durchzusetzen. Man erwirbt soziale Kompetenzen und lernt andere Lebenswelten- und entwürfe kennen.
Hatten Sie das Gefühl, im Beruf und an der Universit?t mehr leisten zu müssen als Ihre m?nnlichen Kollegen?
Eine Frau darf weniger Fehler machen als ein Mann. Frauen in meinem Bekanntenkreis haben ein gro?es Perfektionsstreben. Das bedeutet natürlich hohe Anstrengungen, um die selbst gesteckten Ziele zu erreichen. Frauen dürfen im Beruf nicht angreifbar sein und müssen exzellente Arbeit leisten, denn dann k?nnen sie auch M?nnern gegenüber entsprechend auftreten.
Wenn Sie heute zurückblicken: Würden Sie etwas an Ihrem Lebenslauf ?ndern wollen?
Ich bin in der glücklichen Lage, sagen zu k?nnen, dass sich in meinem Leben alles gut arrangiert hat, beziehungsweise dass ich die Dinge gut arrangiert habe. Mir gef?llt es, Professorin zu sein und genie?e es, an der Hochschule zu lehren. Ich mag keine Routine, die wird auf die Dauer langweilig. Deshalb entwerfe ich jedes Semester neue Lehrkonzepte. Meine Erfahrung: Was mir Spa? macht, gef?llt den Studierenden meist auch.