MUT 2005 - denn sie wissen, was sie tun!

Erstmals MUT - M?dchen und Technik an der Uni Bamberg

M?dchen und Technik? Das soll nicht zusammenpassen? So ein Quatsch! Ab in die Uni Bamberg und "Auf die Pl?tze - Technik - Los!" hie? es für rund 100 M?dchen: In den Herbstferien gab es erstmals ein dreit?giges MUT-Programm rund um Technik und Abenteuer.

Anika, 10 Jahre alt, sitzt hoch konzentriert vor dem Computerbildschirm und bastelt sich ihre eigene Homepage. Endlich! Denn zuhause darf sie an Papas Rechner nicht ran. "Der hat Angst, dass ich was kaputt mache. Der denkt, dass ich von Technik sowieso keine Ahnung habe." Sie grinst, den Blick wie gebannt auf ihre quietschbunte Startseite gerichtet. Seit heute morgen kann sie sogar mit einem GPS-Ger?t umgehen und morgen wird sie souver?n einen Rechner auseinander nehmen und wieder zusammenbauen. Und übermorgen wird sie sich einen Roboter bauen und programmieren. Ob der Papa da noch mithalten kann?

Das Projekt "MUT - M?dchen und Technik" ist ursprünglich eine Initiative der Fachhochschule Coburg, um M?dchen Einblicke in technische und naturwissenschaftliche Berufe zu erm?glichen und diese als tats?chlich w?hlbare Alternative zu erleben. "Seit Juli 2002 gibt es das MUT-Projekt konzeptionell, seit 2003 gibt es konkrete Aktionen dazu", berichtet  Dipl.-Ing. Ina Sinterhauf, MUT-Erfinderin und verantwortliche Projektmitarbeiterin. In der ersten Veranstaltung an der FH Coburg seien sofort alle Pl?tze belegt gewesen und viele M?dchen seien von weit her angereist, auch aus Bamberg, erinnert sich Sinterhauf. Seitdem würden von Jahr zu Jahr die Angebote erweitert, um den Andrang der technik-interessierten M?dchen zu bew?ltigen.

Sinterhauf wünscht sich eine langfristige Etablierung des MUT-Projektes und m?chte den Aktionsradius von Oberfranken nach Thüringen ausweiten: "Technikf?rderung für M?dchen wird momentan gut finanziert, da die Wirtschaft weiblichen Nachwuchs fordert und f?rdert!" Der Grund: Vor allem in technischen und techniknahen Branchen werde trotz hoher Arbeitslosigkeit qualifizierter Nachwuchs gebraucht. Hier l?gen für M?dchen und junge Frauen gute Chancen.

WIAI wirbt um weiblichen Nachwuchs

Denn obwohl die naturwissenschaftlichen F?higkeiten von Jungen und M?dchen etwa gleich ausgepr?gt sind, entscheiden M?dchen sich oft für "frauentypische", nicht-technische Berufe, die schlecht(er) bezahlt sind und wenig Aufstiegsm?glichkeiten beinhalten.

Prof. Dr. Ute Schmid, Mitveranstalterin von MUT und Frauenbeauftragte der Fakult?t Wirtschaftsinformatik und Angewandte Informatik (WIAI) an der Otto-Friedrich-Universit?t Bamberg, erkl?rt, dass durch spezifische Aktionen mehr Schülerinnen und junge Frauen für die Wirtschaftsinformatik und Angewandte Informatik an der Uni Bamberg interessiert werden sollen. Hierzu geh?re auch das Herbstferienprogramm für M?dchen im Rahmen von MUT.

Die Fakult?t WIAI habe als einzig technisch orientierte Fakult?t an der Otto-Friedrich-Universit?t Bamberg mit knapp 15 Prozent nur einen sehr geringen Anteil weiblicher Studierender. Der Frauenanteil an der Gesamtuniversit?t Bamberg l?ge bei über 6o Prozent (Stand 03/04). Schmid bekr?ftigt, dass gerade Frauen in technischen Studieng?ngen oft sehr gut seien. Um die M?dchen hierbei verst?rkt zu f?rdern, müsse aber auch in Schule und Elternhaus weiterhin an dem "Koedukationsproblem" gearbeitet werden.

Koedukation - eine K. O.-Edukation für die M?dchen?

Seit den 1950er Jahren besteht die Koedukation, bei der M?dchen und Jungen gemeinsam unterrichtet werden, als allgemeiner Schultyp. Doch erst mit der "Neuen Frauenbewegung" Anfang der 80er Jahre wurden erstmals Forschungsergebnisse zur Chancengleichheit von M?dchen und Jungen in der Koedukation thematisiert. Es zeigte sich, dass M?dchen im Allgemeinen bessere Schulleistungen aufweisen als gleichaltrige Jungen, mit Ausnahme der Naturwissenschaften. Bei der Leistungskurs-, Studienf?cher- und der Berufswahl waren und sind gro?e Unterschiede zwischen Jungen und M?dchen festzustellen. Interessant ist, dass M?dchen an M?dchengymnasien h?ufiger naturwissenschaftliche Leistungskurse w?hlen als an koedukativen Gymnasien. Allgemein entscheiden M?dchen sich überwiegend für die Bereiche Helfen, Pflegen, Assistieren und Erziehen - Jungen für technische und gewerbliche Studienf?cher oder Berufe.

Mitte der 1980er Jahre wurde die Koedukation heftig diskutiert. Die ursprüngliche Idee der Chancengleichheit für beide Geschlechter hat sich nicht umsetzen lassen, es hat sich sogar gezeigt, dass M?dchen durch die koedukative Erziehung offenbar noch mehr in ihre traditionelle Rolle gedr?ngt werden. Diese Sozialisation in Verbindung mit an den Bedürfnissen der Jungen orientiertem Unterricht wirkt quasi als "self-fulfilling prophecy", das hei?t, M?dchen erfüllen die Erwartungen der Gesellschaft, statt sich auf ihre wirklichen Begabungen zu besinnen, welche sie aufgrund ihrer Rollenzuweisung oft nicht einmal erkennen k?nnen.

Drei Tage Technikerleben pur

Viel Gelegenheit, ihre Interessen und Begabungen zu erforschen, hatten die knapp 100 M?dchen bei den zahlreichen, über drei Tage und eine Nacht verteilten Workshops des Herbstferienprogramms "Auf die Pl?tze - Technik - Los!" in den R?umen der Fakult?t WIAI. Am PC forschen und arbeiten konnten die M?dchen z. B. beim Erstellen ihrer eigenen Homepage, beim Steuern und Beobachten eines künstlichen Wesens auf einer einsamen Insel, beim Erstellen von 3D-Welten, bei der Einrichtung und Nutzung eines virtuellen Klassenzimmers und in der langen Computernacht (= Surfen, so lange bis die Augen zufallen). Wie sie sich gegen Würmer, Viren, ungewollte Spams, Abos und sogenannte "Schokoladenonkels" zur Wehr setzen k?nnen, erfuhren sie natürlich auch. Ebenfalls mit dem Computer besch?ftigte sich ein weiterer Workshop, n?mlich mit dem Auseinanderbauen eines Rechners in dessen Einzelteile und mit dem anschlie?enden Wiederzusammensetzen, wobei natürlich anschlie?end alle Rechner wieder einwandfrei arbeiteten.

Richtig abenteuerlich ging es bei der elektronischen Schnitzeljagd zu, bei welcher zwei mit GPS-Ger?t (Navigationssystem) und Handy ausgerüstete Teams gegeneinander antraten, um per Fahrrad quer durch Bamberg versteckte Spielkarten schnellstm?glich zu finden. Apropos Fahrrad: Wie man einen platten Reifen flickt, sein Rad wartet oder Bremsen nachzieht, konnte am eigenen Fahrrad getestet werden. Workshopleiter Gerhard Frank vom ADFC Bamberg, war begeistert: "So engagiert hat bei mir noch nie jemand mitgemacht!"

"Crazy Robots"

Nach verschiedenen Bauanleitungen und eigenen Ideen bauten und programmierten die M?dchen in Kleingruppen einen fahrenden Roboter, welcher, nach eingehender Programmier- und Experimentierphase, zu erstaunlichen Dingen f?hig war. "Was brauch' ich denn jetzt für ein Teil, damit der Roboter Hindernisse erkennt?" Die M?dchen halfen sich gegenseitig mit Erfahrungen und Einzelteilen weiter, um die Technik der Roboter zu verbessern und ihnen noch mehr beizubringen. Die so "gepimpten" Roboter (ein Ausdruck, der schnell die Runde machte) k?nnen nun zum Beispiel tanzen, singen, sich schütteln, Farben erkennen, an Linien entlang fahren und vieles mehr.

Die M?dchen, die mit Feuereifer bei der Sache waren, gaben sich mit "mittelm??igen Ergebnissen" nicht zufrieden. Und das, obwohl den meisten noch die lange Computernacht in den Knochen steckte: "Wir haben heute Nacht kaum geschlafen, das war einfach zu cool, endlich mal ohne Unterbrechung im Internet surfen zu k?nnen", meinte Anika. Wie man so h?rt, krochen die letzten erst nach freundlicher Aufforderung der Tutorinnen gegen ca. 5 Uhr morgens in den Schlafsack. Ein ansteckendes G?hnen macht die Runde. Doch der Forscherinnendrang ist erstaunlicherweise auch nach drei Stunden "try and error" nahezu ungebremst. Wenn Roboter gegen die Wand fahren und wichtige Teile st?ndig abfallen oder die lang ausgetüftelte Programmierphase nicht den gewünschten Erfolg bringt, nehmen es die meisten M?dchen mit Humor und versuchen es aufs Neue.

Marion Brenda, 11 Jahre alt, von der Bamberger Maria-Ward-Realschule war begeistert: "Robotertechnik ist toll! Besonders sch?n ist, dass man so viel ausprobieren kann und dass man sofort Unterstützung bekommt, wenn es nicht klappt. Ich werde mir so einen Roboter zu Weihnachten wünschen!"

"Macht schnell euer Abi und kommt wieder!"

Dies ist wohl auch ganz im Sinne von WIAI-Dekan Prof. Dr. Elmar J. Sinz, der bei der Abschlussveranstaltung von "Auf die Pl?tze - Technik - Los!" eine ganz besondere Bitte an die M?dchen richtet: "Macht m?glichst schnell das Abitur und kommt wieder an die Fakult?t WIAI der Otto-Friedrich-Universit?t Bamberg." Er erkl?rte den angehenden Nachwuchswissenschaftlerinnen, was es mit der Medieninformatik, der Kulturinformatik und der Semantischen Informatik auf sich hat und informiert darüber, was wichtig sei um WIAI studieren zu k?nnen, n?mlich Deutsch, Englisch, Mathematik und "soft skills" - in dieser Reihenfolge. Es freue ihn sehr, dass das MUT-Projekt in Bamberg ein so gro?er Erfolg war und bedankte sich ganz herzlich bei allen, die zum Gelingen dieser Veranstaltung beigetragen haben.
Mit seinem Wunsch nach mehr weiblichem Nachwuchs in den technischen Studieng?ngen war Sinz nicht alleine.

Schmid "beschwur" die M?dchen, den zukünftigen Beruf danach zu w?hlen, was ihnen Spa? mache und wo ihre Interessen und Begabungen vorhanden seien. "Ein Beweis für die Wichtigkeit und Richtigkeit der MUT-Veranstaltung sind ja auch schon die Rückmeldungen von den Workshopleiterinnen und -leitern, die alle geschw?rmt h?tten, wie viel Spa? ihnen die Arbeit mit den M?dchen gemacht habe. Die M?dchen haben durch ihr Wissen und ihr Engagement gro?en Eindruck hinterlassen."

Und, ja, es wird im Jahre 2006 wieder ein Programm zum MUT-Projekt an der Otto-Friedrich-Universit?t Bamberg geben, verspricht sie. Da wird Anika auf jeden Fall wieder dabei sein!

Anke Stiepani
25.11.05