Deutscher Lusitanistentag 2013 – Universit?t Hamburg

Sektion: Identit?ten in Bewegung. Nationenbildung im lusophonen Afrika. Koordination: Rodrigues-Moura und Wieser

Der Deutsche Lusitanistenverband e. V. (DLV) feierte dieses Jahr sein 20. Jubil?um und veranstaltete seine zehnte internationalen Tagung (den ?10. Deutschen Lusitanistentag?) an der Universit?t Hamburg, vom 11. bis 14. September 2013. Mehr als 200 Beitr?ge, darunter die H?lfte von Vortragenden aus dem nicht deutschsprachigen Raum, wurden in insgesamt 13 Sektionen und einem Nachwuchstreffen in den Bereichen Sprach-, Literatur-, Kultur-, Medien-, Translationswissenschaft und Didaktik pr?sentiert.

Enrique Rodrigues-Moura (Universit?t Bamberg) und Doris Wieser (Universit?t G?ttingen) koordinierten dort die kultur- und literaturwissenschaftliche Sektion ?Identit?ten in Bewegung: Nationenbildung im lusophonen Afrika? mit G?sten aus Brasilien, Deutschland, Mosambik, ?sterreich und Portugal, die eine lebendige und spannende Debatte erm?glichten.

Thema der Sektion war folgendes:

Die Produktion portugiesischsprachiger Literatur und anderer Kunstformen in Afrika ist von der Kolonialzeit über die Befreiungskriege und die Bildung unabh?ngiger Nationalstaaten bis hin zur Gegenwart stetig gestiegen. Bezeichnend dafür ist, dass sich die portugiesischen Ex-Kolonien in Afrika in fortw?hrender Auseinandersetzung mit Portugal – und der portugiesischen Sprache – befinden und ihre Akteur/innen freiwillig oder unfreiwillig durch geographische Ortswechsel gepr?gt sind. Im 20. Jahrhundert entstand aufgrund der vielf?ltigen Migrationsbewegungen zwischen Kolonien und Metropole die Frage, wo die portugiesische Kolonialliteratur ?über? Afrika endet und in eine angolanische, mosambikanische, kapverdische etc. Kultur bzw. Literatur übergeht. Für Antonio Candido (1959) ist die Voraussetzung für die Annahme einer Nationalliteratur die Existenz eines literarischen Systems. Darunter versteht er das Vorhandensein einer Autor/innengruppe, die sich ihrer Rolle mehr oder weniger bewusst ist, eines Lesepublikums, das verschiedene Interessensgruppen bildet, sowie eines Vermittlungsmechanismus (auch in Form einer literarischen Sprachtradition). Nur innerhalb eines solchen Systems kann eine Tradition entstehen, die die einzelnen Elemente miteinander verbindet und im Kommunikationssystem zum Bewusstsein einer kulturellen Zusammengeh?rigkeit führt (im Sinne von Andersons Imagined Communities, 1983).

In den PALOP-L?ndern (Países Africanos de Língua Oficial Portuguesa) beginnt die Konstruktion einer kulturellen, nationalen Identit?t zu einer Zeit, in der in anderen Regionen der Welt der Begriff ?Nation? und sein Gründungsprojekt bereits ausgedient zu haben scheinen. Hinzu kommt, dass aufgrund der ethnischen Heterogenit?t der afrikanischen L?nder sowie der durch Bürgerkriege ausgel?sten Migrationsbewegungen die Konstruktion eines verbindenden kulturellen Ged?chtnisses (Jan Assmann 1992, Aleida Assmann 1999) spezifische Besonderheiten mit sich bringt. Auf der Zeitachse unterscheidet Patrick Chabal (1994) vier Entwicklungsphasen in den afrikanischen Literaturen im Allgemeinen: Assimilierung (Kolonialzeit), Widerstand (w?hrend der Befreiungskriege), Affirmation (nach der Unabh?ngigkeit) und Konsolidierung (in der Gegenwart), die als Leitlinie für Untersuchung dieses Prozesses dienen k?nnen. In diesem Zusammenhang stellen sich folgende Fragen: Darf man in Angola, Guinea-Bissau, Kap Verde, Mosambik und S?o Tomé und Príncipe tats?chlich von einer Nationalkultur sprechen? Wie wird kulturelle Identit?t in der Literatur und in anderen Künsten inszeniert und konstruiert? Konnte sich in den PALOP-Staaten mittlerweile eine kulturelle und zugleich nationale Identit?t entwickeln oder verschwimmt diese in pluralen nomadischen Identit?ten bedingt durch Migration und Exil?

Ausgehend von diesen Fragestellungen werden Beitr?ge erbeten, die sich mit literarischen, filmischen und anderen künstlerischen Erzeugnissen aus dem portugiesischsprachigen Afrika befassen und dabei die Phasen des Widerstands, der Affirmation oder der Konsolidierung in den Blick nehmen. Willkommen sind des Weiteren Beitr?ge zur portugiesischen und brasilianischen Kultur in ihrer Auseinandersetzung mit Afrika.

Die G?ste waren folgende:

Er?ffnungsvortrag. Nataniel Ngomane (Universidade Eduardo Mondlane, Maputo): ?Reflex?es em torno da forma??o da literatura mo?ambicana?

Enrique Rodrigues-Moura (Universit?t Bamberg): ?Repensar o nacional no marco da Globaliza??o. As histórias da literatura?

Doris Wieser (Universit?t G?ttingen): ?Constru??es políticas e literárias de identidades em Portugal, Angola e Mo?ambique antes e após a Revolu??o dos Cravos (work in progress)?

Eduardo Buanaissa (Universidade Pedagógica de Mo?ambique): ?Duas Africanidades na Forma??o da Lusofonia: as Culturas Bantu e Ioruba?

Orquídea Ribeiro (Universidade de Trás-os-Montes e Alto Douro): ?Na fronteira da sombra: personagens femininas nos textos de Mia Couto?

Fernando Alberto Torres Moreira (Universidade de Trás-os-Montes e Alto Douro): ?Vis?es da realidade em Mia Couto e J. Eduardo Agualusa?

Sonja Maria Steckbauer (Katholische Universit?t Eichst?tt-Ingolstadt): ?Identidade e na??o cabo-verdianas na obra de Henrique Teixeira de Sousa?

Marlene Hernandez Leites (FANESE, Sergipe): ?Um olhar sobre outros olhares na poesia de Jo?o-Maria Vilanova?

Maria do Carmo Cardoso Mendes (Universidade do Minho): ?Brasil e Cabo Verde: afinidades identitárias?

Alva Martínez Teixeiro (Universidade de Lisboa): ?Uma ?frica de africanidade variável. Afluências e divergências a respeito do imagi-nário cultural africano e afro-brasileiro na fic??o de Alberto Mussa?

Isabel Azevedo (Universit?t Graz): ?A palavra dos retornados. Nas entrelinhas da descoloniza??o?

Tobias Brandenberger (Universit?t G?ttingen) ?Os primeiros romances de Guilherme de Melo e a 'nova ?frica'?


(von Enrique Rodrigues-Moura und Doris Wieser, September 2013)