Das Vierungsdachwerk des Bamberger Doms

Digitale Vermessung zur Analyse von Konstruktion, Statik und Verformung

Leitung: Prof. Dr.- Ing. Stefan Breitling

Mitarbeiter: Jan Furmann M.A., Max Rahrig, Christoph Lang, Gunnar Gründer, Henriette Thorau, Michael Manzke

Kooperationapartner: Bamberger Dom, Dombauhütte, Staatliches Hochbauamt

Der bereits vom Domplatz aus zu erkennende H?henunterschied der Firstlinie des Vierungsdaches des Bamberger Domes gegenüber den anschlie?enden D?chern von Langhaus, Querhaus und Westchor gab zusammen mit den Rissen im Vierungsgew?lbe Anlass zur ?berprüfung des Dachstuhls auf Verformungen und m?gliche statische Probleme des Dachwerks sowie des Gew?lbes (Abb.1). Auf Anregung von Herrn Ulrich F?rst, Leiter der Dombauhütte, wurde von Studenten im Rahmen einer zweit?gigen praktischen ?bung im Fach Bauforschung und Baugeschichte unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. Stefan Breitling ein formgerechtes Aufma? des Vierungsdachstuhls erstellt. Aufgrund der zeitlichen Begrenzung konnten nur die Verformungen von einem der beiden Vierungsgesp?rre mittels eines tachymetrischen Aufma?es im Zielma?stab 1:20 erstellt werden. Durch die optisch gr??eren Verformungen fiel die Wahl auf das NW-SO Gesp?rre (Abb.4). Erg?nzend entstanden Skizzen vom Grundriss, von Konstruktionsdetails und Knotenpunkten (Abb. 3) sowie eine Fotodokumentation der einzelnen Befunde.

Verformungsanalyse

Entgegen dem von au?en deutlich sichtbaren Absacken des Vierungsdaches,ergab die auf Grundlage des Aufma?es erstellteVerformungsanalyse des NW-SO Vierungsgesp?rres nur relativ geringe Formabweichungen. So kippt das gesamte Gesp?rre leicht nach SO, was sich an den H?nges?ulen mit einer Abweichung von 3 – 4,5 cm vom Lot niederschl?gt. Ob diese Kippung zur Krümmung der süd?stlichen H?nges?ule führte oder ob es sich dabei um eine natürliche Verformung des Holzes beim Trocknungsprozess handelt, ist nicht eindeutig. W?hrend die Druckriegel mit einer negativen Steigung von 3,5 – 5 cm ihre eigentliche Aufgabe zur Stützung des Kreuzungspunktes nicht mehr erfüllen und diesen sogar nach unten drücken, halten sich die Verformungen der darüber liegenden doppelten Kehlbalkenlage mit einer Durchbiegung von max. 2,5 cm in Grenzen, weshalb der Kreuzungspunkt der Vierung sich nicht stark gesetzt haben kann. Auch die Durchbiegung der Sparren von max. 5 cm bei L?ngen von 11,22 - 13,30 m weist auf keinerlei gr??ere Verformungen hin. In ihrer Funktion hingegen beeintr?chtigt sind die zwischen den Stuhlst?ndern und den H?nges?ulen liegenden gezapften Kopfstreben, deren Zapfenbrüste an den H?nges?ulen freiliegen und keine feste Verbindung aufweisen.

Die durch das Vierungsgew?lbe unterbrochenen Zerrbalken besitzen eine deutliche Biegung mit einem bis zu 10 cm gro?en Anstieg zum Gew?lbescheitel hin. Die inneren Enden beider Zerrbalken werden nicht wie eigentlich vorgesehen von den Eisenschwertern der H?nges?ulen gehalten, sondern stehen auf dem Vierungsgew?lbe auf. W?hrend bei dem nordwestlichen Zerrbalken der Kopf des Eisenschwertes ca. 2 cm frei unter dem Balken h?ngt und dieser mit der vorderen Kante auf dem Gew?lbe aufliegt, ist der süd?stliche Zerrbalken mit seinem Kopfende gegen das Gew?lbe verkeilt. Letzteres weist dort eine Ausarbeitung als Balkenauflager auf, wobei jedoch nicht das eingeklemmte Balkenende, sondern der 6 cm unter dem Balken h?ngende Kopf des Eisenschwertes auf dem Gew?lbe aufliegt (Abb.2 a und b). Sehr ?hnlich ist die Situation beim nicht vermessenen NO-SW Gesp?rre. So befindet sich auch im NO der Kopf des Eisenschwertes frei unter dem Zerrbalken, wobei allerdings sowohl ersterer als auch letzterer mit der Vorderkante auf dem Gew?lbe aufliegen. Im SW besteht zwar eine kraftschlüssige Verbindung zwischen Eisenschwert und Zerrbalken, doch liegt auch hier letzterer mit der Vorderkante auf dem Gew?lbe auf. Zus?tzlich ist an dieser Stelle noch ein Holzklotz sekund?r zwischen Zerrbalken und Gew?lbe verkeilt (Abb.2 c und d).

Ergebnis

Wie die hochgebogenen Zerrbalken mit leeren Zapfenl?chern und die L?nge der Eisenschwerter belegen, musste die ursprünglich geplante und vorgefertigte Dachwerkkonstruktion der Vierung aufgrund des weit in den Dachraum einschneidenden Gew?lbes beim Aufstellungsprozess leicht ver?ndert werden. Hierbei nahmen die barocken Zimmerm?nner in Kauf, dass die als H?ngesprengwerk geplante Konstruktion ihre eigentliche Aufgabe – die auftretenden Kr?fte ins Dachwerk abzuleiten – nicht richtig erfüllt, sondern stattdessen sehr punktuell auf dem Gew?lbe ablastet. Durch das Aufstehen der Konstruktion auf dem Gew?lbe muss auch die deutlich tiefer liegende Firstlinie des Vierungsdaches bereits seit dessen Errichtung 1744 – 47 bestehen und ist nicht auf eine sp?teres Absacken zurückzuführen, was auch durch die geringen Verformungen der Kehlbalken best?tigt wird. Für die Kippung des NW-SO Gesp?rres nach SO kann hingegen ein bereits reparierter Schaden am süd?stlichen Gesp?rrefu?punkt verantwortlich gemacht werden, der eventuell auch zur Verbiegung der süd?stlichen H?nges?ule beitrug. Für die im Vierungsgew?lbe vorhandenen Risse k?nnte das punktuell auf dieses ablastende Dachwerk – eine jedoch bereits seit über 260 Jahren bestehende Situation – verantwortlich sein. Die Relevanz dieses Schadensbildes kann jedoch nur durch ein Rissmonitoring erbracht werden.

 

XI/2010