Gemei?elte Erinnerungen - Memory written in Stone

Inhalt und Ziele

Steinoberfl?chen von mittelalterlichen Bauwerken k?nnen wertvolle Informationen tragen, die anhand der überlieferten Werkspuren Erkenntnisse zu den Beziehungen zwischen dem Gebiet des heutigen Bayerns und Tschechiens erlauben. Im Rahmen des vorgetragenen Kooperationsprojekts der Otto-Friedrich-Universit?t Bamberg und der Czech Technical University of Prague sollen mittels innovativer digitaler Methoden am Beispiel ausgew?hlter Bauwerke die bislang kaum untersuchten Prim?rquellen der Werkzeugspuren von mittelalterlichen Steinoberfl?chen im Detail analysiert und miteinander verglichen werden. Darauf aufbauend wird die Geschichte des historischen Objekts im Kontext der steinmetzm??igen Tradition und Weitergabe von handwerklichen Techniken erschlossen. Ziel ist es dabei, regionale Unterschiede und Gemeinsamkeiten des Steinmetzhandwerks des Mittelalters an bedeutenden Objekten zu finden. Ebenso sollen die Entwicklungsverl?ufe der Steinbearbeitung in Bayern und Tschechien, sowie die Geschichte von der Wanderschaft der Handwerker dokumentiert werden. Au?erdem wird untersucht, inwiefern Steine, die der Witterung ausgesetzt sind, Gefahr laufen, ihre Werkzeugspuren zu verlieren. Dies k?nnte einem Verlust von wichtigen historischen Informationen gleichkommen.

Durch Bearbeitung eines Werksteins mit einem Werkzeug entstehen an der Oberfl?che herstellungsbedingte Spuren, wie Hackl?cher, Scharrierungen etc. Diese Relikte sind Zeugnisse des Handwerkprozesses und spiegeln die unterschiedlichen regionalen Traditionen und den jeweiligen Zeitgeschmack wider. Beispiele k?nnen hier die Wahl der Werkzeuge sein, aber auch der ausgew?hlte Stein. Kurze Transportwege sprechen für lokales Gestein, was neben unterschiedlicher Farbe auch stets unterschiedliche Beschaffenheit beinhaltet. Dem gegenüber steht die bewusste Entscheidung Stein von weit entfernten Steinbrüchen, z. B. über Flüsse zu transportieren.

Anhand von ausgew?hlten Beispielen in Bayern und Tschechien sollen die überkommenen Werkspuren an repr?sentativen Musterfl?chen im Detail erfasst und miteinander verglichen werden. Ziel ist es herauszufinden, ob sich zeitgleich oder zeitversetzt analoge Werkzeugspuren an ortspr?genden Bauten in Bayern wie in Tschechien finden lassen. Dadurch k?nnte die These von wandernden Handwerkern und der Weitergabe von handwerklichen Traditionen im Untersuchungsgebiet best?tigt werden.

Gemeinsam mit Kollegen der Czech Technical University of Prague im Department of Geotechnics, angesiedelt an der Faculty of Civil Engineering, soll im Rahmen des interdisziplin?ren Vorhabens ein wesentlicher Beitrag zur Kl?rung der Forschungsfrage unter Anwendung digitaler high-tech-Mthoden erbracht werden. Das Vorhaben baut dabei auf Vorarbeiten der tschechischen Kollegen zu Steinmetztechniken des Mittelalters an sakralen und profanen Geb?uden in Tschechien sowie deren zeitlicher Korrelation auf.

Ein Forschungsschwerpunkt der Professur für Restaurierungswissenschaft am Kompetenzzentrum für Denkmalwissenschaften und Denkmaltechnologien (KDWT) der Otto-Friedrich-Universit?t in Bamberg ist die Untersuchung und Analyse von historischen Arbeitstechniken am Baudenkmal. Zum Methodenkanon geh?rt neben der naturwissenschaftlichen Analyse von bauwerksbezogenen Materialien im eigenen naturwissenschaftlichen Labor insbesondere auch der Einsatz und die kombinierte Auswertung verschiedener zerst?rungsfreien high-tech-Methoden, wie (hochaufl?sender) 3D-Scanner, Multispektal- oder Thermografiekameras. Die in Bamberg aggregierte Wissensbasis soll mit den tschechischen Kollegen korreliert und – auch über das vorgetragene Vorhaben hinaus – gemeinsam weiterentwickelt werden.

Im Rahmen des Vorhabens soll eine Reihe von herausragenden mittelalterlichen Geb?uden bzw. Skulpturen aus Bayern und Tschechien untersucht werden:

  • Bamberg: Dom St. Peter und Georg, sowie der Bamberger Reiter
  • Nürnberg: Kaiserburg, sowie Kaiser- und Margarethenkapelle der Kaiserburg
  • Regensburg: Dom St. Peter, St. Emmeram, sowie die Steinerne Brücke
  • Augsburg: Hoher Dom Mari? Heimsuchung
  • Prag: Veitsdom, Karlsbrücke, sowie die Reste der Judithbrücke
  • Cheb: Burg Cheb, Burgkapelle St. Martin, sowie Schwarzer Turm der Burg Cheb
  • Kolín: St. Bartholom?us

Die Auswahl der Objekte erfolgt entlang beliebter Handelsstra?en von Norden nach Süden, sowie von Westen nach Osten und enth?lt einschl?gige, prestigetr?chtige Bauten des Mittelalters, errichtet in unterschiedlichen Techniken und Gesteinsmaterialien.

Methode

Zur Beantwortung der Forschungsfrage ist ein mehrstufiges Vorgehen notwendig:

In der ersten Phase des Projekts sollen Archivrecherchen durchgeführt werden. Dabei sollen neben der Restaurierungs- und Ver?nderungsgeschichte der Objekte auch Informationen über das Steinmetzhandwerk und die Namen der beteiligten Handwerker und Erbauer eruiert werden. Dadurch sollen Grundlagen geschaffen werden, die dann durch die Befunde vor Ort verifiziert werden.

Zur Bestimmung der Gesteinsherkunft soll die vom tschechischen Partner entwickelte und innovative Methode der Infrarot-Reflexionsspektroskopie zum Einsatz kommen. Das Verfahren analysiert hierfür die optischen Eigenschaften von Gesteinsoberfl?chen, welche durch die Gesteinsart sowie den Ort der Entstehung spezifisch definiert werden. Dadurch sollen sowohl ein Nachweis regionaler Eigenheiten als auch der Nachweis von Gemeinsamkeiten von teilweise weit entfernten Orten erbracht werden. Die historischen Verknüpfungen in Bezug auf Handwerk und Material zwischen verschiedenen L?ndern sind bislang nicht vollst?ndig untersucht worden. Es ist dokumentiert, dass im Mittelalter sowohl Materialien aus entfernten Regionen verwendet wurden als auch Handwerker betr?chtliche Strecken zurückgelegt haben. Daher stellt die Identifizierung der Herkunft von Stein, der für historische Artefakte oder Kunstwerke genutzt wurde, und die Analyse seiner handwerklichen Bearbeitung eine zentrale Thematik in der Material- und Denkmalforschung dar.

In einem weiteren Schritt sollen die Oberfl?chenmerkmale digital erfasst werden. An den Musterfl?chen der verschiedenen Bauwerke soll das in Bamberg etablierte opto-technische Monitoring zur Anwendung kommen. Dabei erfolgt zuerst eine berührungslose 3D-Erfassung der Oberfl?chen, welche mittels einem handgeführten Structured-Light-Scanner und/oder mittels Photogrammetrie erstellt werden. Die so erstellten 3D-Modelle dienen als Grundlage für die nichtinvasive Untersuchung der Topographie der Objekte. Die berührungslose Digitalisierung der Oberfl?chen erm?glicht einen detaillierten Vergleich zwischen den unterschiedlichen Objekten, auch über Landesgrenzen hinweg. Anhand der dreidimensionalen Oberfl?chenbeschaffenheiten lassen sich so Rückschlüsse auf die Werkzeuge und ihre Anwendung ziehen, die wiederum Aufschluss über Unterschiede und Gemeinsamkeiten im Steinmetzhandwerk an bayerischen und tschechischen Geb?uden geben k?nnen. Beim opto-technischen Monitoring werden zum einen Bilddaten aus unterschiedlichen Quellen (UV-VIS-IR-Fotografien, Orthophotos aus 3D-Scans etc.) digital übereinandergelegt, zum anderen wird die Fl?che zu unterschiedlichen Zeitpunkten mit einem hochaufl?senden 3D-Scanner erfasst. Die so generierten 3D-Daten werden virtuell übereinandergelegt und die Abweichungen bis in den Submillimeterbereich hinein werden in einer Fehlfarbendarstellung visualisiert. Im direkten Vergleich der Oberfl?chen untereinander k?nnen so Unterschiede bei den bewitterten Oberfl?chen aufgezeigt werden, was wiederum Rückschlüsse auf zukünftige Abnutzungserscheinungen zul?sst.

Durch die Zusammenführung der Untersuchungen, die eine gründliche Erforschung der Restaurierungs- und Objektgeschichte, die Feststellung der Gesteinsherkunft sowie die abschlie?ende Analyse der Handwerksspuren umfassen, streben wir Erkenntnisse über Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Steinmetzhandwerk zwischen Bayern und Tschechien an. Dieses l?nderübergreifende Vorhaben kann nur in der Kooperation von lokalen Wissenschaftlern gelingen, die auf die einzelnen Untersuchungen an den Objekten spezialisiert sind. 

Projektpartner

Mgr. Kate?ina Ková?ová, Ph.D., MBA.
Fakulty of Civil Engineering
Department of Geotechnics
Czech Technical University in Prague

F?rdermittelgeber

Das Vorhaben wird von der Bayerisch-Tschechischen Hochschulagentur (BTHA) gef?rdert. Es wird unter dem Aktenzeichen BTHA-JC-2024-34 geführt.