Katharina Thoma/Universit?t Bamberg

Das W?rterbuch erkl?rt die Bedeutung und Entstehung von kreolischen Worten.

Katharina Thoma/Universit?t Bamberg

Ingrid Neumann-Holzschuh (li.) und Annegret Bollée pr?sentieren ihr Etymologisches W?rterbuch Martin Haase, dem Inhaber des Lehrstuhls für Romanische Sprachwissenschaft.

- Patricia Achter

Kreolisch – eine vollwertige Sprache

Sicht- und h?rbares Lebenswerk der Romanistin Annegret Bollée

Kreolsprachen galten lange als minderwertig. Entstanden sind sie zur Kolonialzeit, als Sklaven aus verschiedenen Teilen Afrikas in die neuen Kolonien verschleppt wurden. Sie verst?ndigten sich mit vereinfachten Formen der Sprachen der Kolonialherren, aus denen sich dann allm?hlich die Kreolsprachen entwickelt haben. Prof. Dr. Annegret Bollée, ehemalige Inhaberin des Lehrstuhls für Romanische Sprachwissenschaft und Medi?vistik an der Universit?t Bamberg, besch?ftigt sich seit Jahrzehnten mit dem Kreolischen. Die sichtbare Kr?nung ihres Lebenswerks ist die Vollendung eines achtb?ndigen Etymologischen W?rterbuchs der franz?sischen Kreolsprachen, dessen letzte B?nde im Sommer 2018 erschienen sind. ?Noch wichtiger ist mir pers?nlich, dass ich die Kreolsprachen im Bewusstsein ihrer Sprecher aufwerten konnte“, meint Annegret Bollée l?chelnd.

Kinder lernen Lesen und Schreiben in ihrer Muttersprache

Als sie für ihre Habilitation in den 1970ern die Seychellen besuchte, lernten die Schulkinder auf Englisch Lesen und Schreiben – nicht auf Kreol, ihrer Muttersprache. Dort hie? es früher, dass Kreol keine Sprache sei, weil es keine Grammatik habe. Die Sprachwissenschaftlerin entwickelte eine Orthographie fürs Seychellenkreol, die an Schulen eingeführt und bis heute in leicht angepasster Form im Unterricht verwendet wird; au?erdem verfasste sie eine Grammatik. ?Ich habe bewiesen, dass es eine vollwertige Sprache mit Grammatik ist“, erz?hlt Annegret Bollée. Seychellenkreol ist jetzt neben Englisch und Franz?sisch die offizielle Amtssprache auf den Seychellen. Dort wurde Annegret Bollée im Jahr 2017 für ihren wertvollen Beitrag zur Entwicklung und Bewahrung der kreolischen Sprache und Kultur mit einer Troph?e aus Glas geehrt.

Etymologisches W?rterbuch ist ihr wissenschaftliches Lebenswerk

Auf wissenschaftlicher Ebene sieht die Forscherin das Etymologische W?rterbuch der franz?sischen Kreolsprachen als ihr Lebenswerk an. Mit der Arbeit, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gef?rdert wurde, hat sie 1980 begonnen. W?hrend all dieser Jahre haben verschiedene Linguistinnen und Linguisten an dem Projekt mitgearbeitet. Zuletzt leitete sie es gemeinsam mit Prof. Dr. Ingrid Neumann-Holzschuh von der Universit?t Regensburg.

?Mit unserem W?rterbuch erforschen wir auch das Franz?sische der Kolonialzeit und die heutigen Variet?ten des Franz?sischen in Amerika“, erkl?rt Annegret Bollée. ?Deshalb ist es für die Wissenschaft so ergiebig: Wir haben damit Grundlagenforschung geleistet.“ Die insgesamt acht B?nde des Dictionnaire étymologique des créoles fran?ais de l’Océan Indien (DECOI) und des Dictionnaire étymologique des créoles fran?ais d’Amérique (DECA) erg?nzen das Franz?sische Etymologische W?rterbuch (FEW) von Walther von Wartburg, das seit 1922 ver?ffentlicht wird. Quellen des DECOI und des DECA sind die vorhandenen W?rterbücher und Sprachatlanten der verschiedenen Kreolsprachen, erg?nzt durch eigene Feldforschung auf den Seychellen – Annegret Bollée war über 35 Mal dort. Darüber hinaus war sie in Louisiana t?tig: Die Erforschung des dortigen Kreol ist eines der Spezialgebiete von Ingrid Neumann-Holzschuh. Aus den gedruckten B?nden des DECA entsteht gerade eine digitale Datenbank, die etwa in einem halben Jahr fertiggestellt wird.

Das Wort ?matelot“ bedeutet mehr als Matrose

Das W?rterbuch von Annegret Bollée erkl?rt die Bedeutung und Entstehung von kreolischen Worten. Ein Beispiel: Das Wort matelot bedeutet ursprünglich ?Matrose“ und stammt aus der Seemannssprache. In den Kolonien hat es eine andere Bedeutung angenommen. ?Die Mitglieder einer Schiffsbesatzung taten sich jeweils zu zweit zusammen, damit sie im Falle von Verwundungen oder Krankheit einander helfen konnten“, sagt Annegret Bollée. ?Ihr gutes Einvernehmen ging so weit, dass sie sich gegebenenfalls eine Frau teilten, was mit dem Ausdruck matelotage bezeichnet wurde.“ Inzwischen hat sich die Bedeutung des Wortes ge?ndert: im heutigen Haiti-Kreol bezeichnet es zwei Frauen, die sich einen Mann teilen.

Annegret Bollée studierte Romanistik und Anglistik in Hamburg, Aix-en-Provence und Bonn, wo sie 1969 auch promovierte. 1976 wurde sie an der Universit?t zu K?ln in der Romanischen Philologie habilitiert. Von 1978 bis 2002 hatte sie den Lehrstuhl für Romanische Sprachwissenschaft und Medi?vistik an der Universit?t Bamberg inne. Sie war zeitweise Dekanin, Vizepr?sidentin und Mitglied im Senat der Deutschen Forschungsgemeinschaft. 2014 wurde sie von der Trimberg Research Academy als erste Frau zur Emerita of Excellence der Universit?t Bamberg ernannt.