Genderdiskurse im Religionsunterricht

Das ?Theologische Forum? des Instituts für Katholische Theologie widmet sich im Wintersemester 2016/2017 den Herausforderungen, die durch die Genderdebatte auf für das theologische Denken erwachsen.

Genderdiskurse betreffen eine Fülle wissenschaftlicher Fragen etwa nach der Konstruktion von Geschlecht, der Relevanz von Geschlechterrollen oder nach Strukturen der Ungleichheit und Ungerechtigkeit zwischen den Geschlechtern. Geschlecht ist zudem eine sehr praktische Gr??e. Zwei Beispiele: Mit den Farben blau und rosa wird schon direkt nach der Geburt auf Geschlecht reagiert, und Geschlechterklischees spielen – gerade auch bei Kindern und Jugendlichen – eine wichtige Rolle bei der ?Erfindung‘ der eigenen Identit?t oder der sexuellen Orientierung.

In diesen Kontexten spiegelt sich gesellschaftliche Realit?t wieder, eine Realit?t, die auch im Religionsunterricht hohe Bedeutung besitzt. Im vierten Vortrag der Reihe ?Theologisches Forum? setzte sich Dr. Eva St?gbauer unter dem Titel ?Geschlechtersensibilit?t und Geschlechtergerechtigkeit als Ziele religi?ser Bildung? damit auseinander, welche Rollen Genderfragen im Religionsunterricht spielen und bot religionsp?dagogische ?berlegungen zur Gender-Frage.

St?gbauer, die an der Katholisch-Theologischen Fakult?t der Universit?t Regensburg als Akademische R?tin am Religionsp?dagogik-Lehrstuhl arbeitet, widmete sich im ersten Teil ihres Vortrags der empirischen Forschung zur Relevanz der Genderfrage im Religionsunterricht. Wie wirksam Geschlecht als Variable der eigenen Wahrnehmung ist, konnte sie anhand einiger praktischer Beispiele eindrucksvoll untermauern. Zur Frage: ?Stammt das Bild oder der Text von einem Junge oder einem M?dchen?“, zeigte sie verschiedene Darstellungen und Texte, die Kinder und Jugendliche zum dem Thema ?Ich stelle mir Gott vor ...“ erarbeiteten. Damit konnte sie veranschaulichen, dass seitens der Betrachterinnen und Betrachter h?ufig stereotypisierende Geschlechterzuschreibungen vorgenommen werden. In einem weiteren Schritt analysierte St?gbauer empirische Daten zu Religiosit?t, zur Zustimmung zu religi?sen Institutionen  und zu Gottesbildern. In fast allen Untersuchungsergebnissen zeigen sich Indizien für geschlechtliche Bezüge: Bei ihren Gottesvorstellungen orientieren sich M?dchen bspw. vor allem an emotionaler N?he, w?hrend bei Jungen eher kognitionsbezogene Differenzen auszumachen sind.

Kritisch beleuchtete die Referentin die Ans?tze der meisten Studien. So l?sst sich fragen, ob nicht schon das Untersuchungsdesign vieler Studien die Kategorie Geschlecht unkritisch reproduziert. Hinzu kommt, dass auch Lehrende im Unterricht geschlechtspezifische Muster tradieren und Geschlechterklischees oftmals unkritisch weiterschreiben; dies wiederum spiegelt sich in den Daten, die im Unterrichtszusammenhang erhoben wurden.

Hinsichtlich der Art und Weise, wie Geschlecht als Kategorie im Religionsunterricht anwesend ist (?doing gender“), reflektierte St?gbauer, dass Schulf?cher selbst ?ge-gendert“ werden. Religionsunterricht gilt als ?weiches Fach“, als ?M?dchenfach“ – sowohl bei Schülerinnen und Schülern wie beim Lehrpersonal. Auch hier ist zu fragen, so die Referentin, in wie weit hier Heteronormativit?t und Bipolarit?t der Geschlechter tradiert werden. Zusammenfassend hielt St?gbauer fest, dass Geschlecht eine wichtige Kategorie bei der Wahrnehmung von Religiosit?t ist, unklar aber bleibt, wie es sich als soziale Kategorie auswirkt.

Abschlie?end bot die Referentin begründete Orientierungen aus diesem Befund für den Religionsunterricht. Dabei widmete sie sich im Besonderen der Frage nach der Relevanz des Geschlechtlichen für religi?ses Lernen und forderte eine Zurückhaltung gegenüber Schematisierungen, aber auch gegenüber moralisierenden Mahnungen ein. Wichtig sei unter anderem eine Wahrnehmungs- und Kompetenzschulung der Lehrkr?fte, um eigene Stereotypisierungen zu identifizieren zu k?nnen – u.a. auf sprachlicher Ebene (z.B. ?Jüngerinnen und Jünger“, Rekurse auf die weibliche Dimension Gottes, ...). Auch eine facettenreiche Rede z.B. von Gottesvorstellungen k?nnte notwendige Dynamiken in vorgefertigte Gender-Konstruktionen bringen.

Dem Vortrag schloss sich eine intensive und lebhafte Diskussion des Publikums mit der Referentin an.

Hinweis

Diesen Text verfasste Prof. Dr. Thomas Wei?er (Laubach). Er steht Journalistinnen und Journalisten zur freien Verfügung.